Scot Fancy
Scot Gelb intensiv in Arbeitshaltung (Foto: Claus Wiemann)

Kurzbeschreibung des Scot Fancy

Der Scot Fancy (kurz Scot, Mehrzahl Scots) ist ein domestizierter schottischer Kanarienvogel, der seit Anfang des 19. Jahrhunderts gezüchtet wird.  Der Scot ist eine Figuren-Kanarienrasse die zeitweise eine sichelförmige Haltung einnimmt.

Inhaltsverzeichnis

Die Geschichte einer alten Figuren-Kanarienrasse

Der Ursprung eines so ungewöhnlich geformten Vogels wie dem Scot Fancy hat sicherlich zu den vielfältigsten Spekulationen bezüglich seiner Entstehung geführt. Die führende Züchterautorität der Viktorianischen Epoche (1837 bis 1901 – Regierungszeit der britischen Königin Victoria), W. A. Blakston, war sich jedoch sicher, dass diese Rasse während des frühen Teils des neunzehnten Jahrhunderts aus importierten belgischen Kanarienbeständen entwickelt worden war. Zweifellos existierte in den dreißiger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts eine große Bandbreite verschiedenster Typ-Vögel in den Zuchtstuben der Züchter rund um Glasgow (Glasgow Don).

Scots Kanarien um 1880
Scots Kanarien um 1880 aus: Illustrated Book of Canaries and Cage-Birds, British an Foreign, 1880; von: W.A. Blakston, W. Swaysland, August F. Wiener

Das Interesse für diese Rasse in Schottland war anscheinend so beachtlich, dass man anderen Rassen kaum noch Aufmerksamkeit schenkte. Blakston berichtet von Ausstellungen der späten siebziger des neunzehnten Jahrhunderts, die mit 50 bis 60 Einzelvögeln je Schauklasse mit vielen hundert Vögeln Gesamtbeschickung für großes öffentliches Interesse sorgten. Die starke Ausweitung der Kanarienzucht gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts führte dann schließlich dazu, dass viele Züchter Verbesserungen ihrer Zuchtbestände durch Anleihen bei anderen Kanarienrassen in Ihre Zuchtstämme einbringen wollten.

Hierzu wandte man sich abermals den belgischen Kanarien zu. Zu dieser Zeit waren diese allerdings bereits zu einer eigenständigen Rasse, dem Bossu Belge, entwickelt worden, die auf dem Höhepunkt ihrer Popularität stand. Die durch diese Einkreuzungen verursachten Veränderungen des Scotch führten sogar dazu, dass der Autor des Buches „Canary Book“ 1893 in seiner 3. Ausgabe (Robert L. Wallace) ein neues Kapitel zum Scot mit dem Titel „The modern Scotch Fancy“ einfügte. Der hier beschriebene Scot ähnelte dem Erscheinungsbild des Bossu Belge sehr stark – so stark, dass viele Vögel selbst von Experten nur äußerst schwierig der ein oder anderen Rasse zugeordnet werden konnten. Vor dem ersten Weltkrieg hieß es sogar, dass einzelne Vögel dieser Zeit mit guter Gewinnchance sowohl als Scot, als auch als Bossu Belge ausgestellt werden konnten. Diese für die Züchter äußerst unbefriedigende Situation führte dann noch vor dem ersten Weltkrieg dazu, dass viele Züchter sich vom Scot abwandten und sich anderen Rassen widmeten. Nur wenige Exemplare verblieben zwischen dem ersten und zweiten Weltkrieg bei vereinzelten Liebhabern, bis dass, bedingt durch die Wirren des zweiten Weltkrieges, der Scot letztendlich kurz vor dem Aussterben stand.

Scots Züchter
Wer soll es sein? Ein Züchter begutachtet zweis Scots (aus: Canarie, Hybrids an British Birds in Cage and Aviary, 1911 von John Robson)
Scots und Bossu Belge um 1911
Scots und Bossu Belge um 1880 (aus: Canaries, Hybrids and British Birds in Cage an Aviary, 1911; von John Robson)

Nur die Mühen der neu gegründeten Old Varieties Canary Association stoppten den Untergang dieser Rasse. Man einigte sich 1971 mit den noch verbliebenen Züchtern, dem Scot wieder zu seinen ursprünglichen Rassemerkmalen zu verhelfen, und somit in Bezug auf die Popularität an längst vergangene Zeiten anzuknüpfen. Eine Entscheidung, deren Erfolg heute auf allen größeren Schauen nachvollzogen werden kann!

Scot gescheckt
Scot gescheckt (Foto: Thomas Müller)
Scot Gelb nichtintensiv
Scot Gelb nichtintensiv (Foto: Thomas Müller)
Scot Dominantweiß
Scot Dominantweiß (Foto: Thomas Müller)

Anmerkung: Die Schotten lehnen den Begriff „Scotch“ ab und halten ihn für beleidigend. Im übertragenen Sinne wird damit ein Säufer (Scotch-Whisky) bezeichnet. Das Wort „Scotch“ wird nur noch für bestimmte Produkte verwendet, meist Lebensmittel oder Getränke, wie schottischer Whisky, schottischer Kuchen und schottische Brühe.[1] Wir sollten also auch die Kanarienrasse „Scot Fancy“ nennen, wie es in Schottland seit vielen Jahrzehnten üblich ist.

Beschreibung und Merkmale der Rasse

Ein besonderes Merkmal dieser Rasse ist die rassetypische, gebogene Sichelhaltung, die der Vogel in Arbeitshaltung einnimmt. Wie bei allen Haltungsvögeln kann der Scot die Arbeitshaltung nur für kurze Zeit erreichen, da die Idealhaltung durch Muskelleistung des Vogels erbracht wird. Grundvoraussetzung für eine gute Haltung sind Sitzstangen mit dem richtigen Durchmesser, die der Vogel gut umgreifen kann und somit einen guten und festen Stand hat.

Hat der Vogel seine Idealhaltung eingenommen, zeigt der Verlauf von Kopf, Nacken, Rücken und Schwanz die geforderte Sichelform. Auch der rassetypische „HOP“ (graziöses Springen von Sitzstange zu Sitzstange, ohne hierbei die Flügel zu lockern, ohne den Schwanz hängen zu lassen und ohne die eingenommene Sichelhaltung aufzulösen) unterstreicht das Zusammenspiel von Haltung und Aktion dieser Rasse. Sehr wichtig ist ein korrekter Sitzstangenabstand! Im Originalschaukäfig des Mutterlandes ca. 14 cm Abstand zwischen den Sitzstangen – im Border-Käfig maximal möglicher Abstand, also acht freie Gitterstäbe.

Scot Beschreibung
Die Merkmale des Scot

Der Scot hat einen langen und schlanken Körper mit einer Größe von mindestens 17 cm. Er hat einen flachen, ovalen und hübschen Kopf (etwas schlangenartig im Erscheinungsbild) mit einem nicht zu klobigen Schnabel. Der lange und schlanke Hals geht nahtlos in die rund gefüllten, schmalen Schultern über. Die Schultern zeigen keinerlei Vertiefung (Der Schotte sagt: „keine Regen-bzw. Abflussrinne“). Die Flügel liegen eng am schmalen Körper an. Die etwas zurückgesetzten, langen Beine ermöglichen dem Vogel die Einnahme der gewünschten Arbeitshaltung. Die Schenkel des Scot sind befiedert. Der Schwanz ist lang, schmal, geschlossen und mit geringer Einkerbung. Eng anliegendes Gefieder unterstreicht die typische Sichelform.

Der Scot Fancy ist – außer in Rot – in allen Kanarienfarben, einschließlich der Schecken, zugelassen.

Weitere Erläuterungen finden Sie im aktuellen Standard für Positurkanarien.

Ausstellung

Der Scot wird in Deutschland im Borderkäfig mit Standard-Fife-Sitzstangen ausgestellt. Zur Deutschen Meisterschaft und in einigen Bundesländern ist jedoch nur der Wursterkäfig zugelassen!

Beurteilung eines Scot
Beurteilung eines Scot (aus: Illustrated Book of Canaries and Cage-Birds, British an Foreign, 1880 von W.A. Blakston, W. Swaysland, August F. Wiener)

Nachdem sich der Scot den Sommer über in einer geräumigen Flugvoliere vollständig entwickeln konnte und die Mauser gut überstanden hat, sollte man ihn rechtzeitig vor dem ersten Schautermin einzeln in eine Zuchtbox verbringen. Um später vor dem Preisrichter die gewünschte Haltung und Aktion zu zeigen, benötigt der Scot längeres und intensives Schautraining um sich in guter Käfiggewöhnung präsentieren zu können. Nur so wird er die Arbeitshaltung mit nach vorne gestrecktem Kopf und über Rücken und Schwanz eine Sichel zeichnend einnehmen. Auch in Aktion wird er so lebhaft, frei und in einer Eleganz von Sitzstange zu Sitzstange springen und seinen Zuschauer den „Hop“ vorführen, ohne hierbei die grundlegende Kontur der Arbeitshaltung zu verändern.

Vor dem Schautraining sollte jeder Vogel unbedingt auf etwaigen Parasitenbefall wie Federlinge bzw. Milben untersucht werden.

Haltung und Zucht des Scot Fancy

Da in der Vergangenheit die Bestände der Scots zeitweise stark zurückgegangen waren, wurde zur Erhaltung der Zuchtstämme häufig Inzucht betrieben. Hierdurch sank die Fruchtbarkeitsrate der Nachtzuchten teilweise stark ab. Weiterhin verschlechterten sich die Nachzuchten deutlich in Bezug auf die Größe. Auch die teilweise vorgenommene wahllose Einkreuzung von Bossu Belge in die bestehenden Bestände, hat dem Scot in Bezug auf seine Beliebtheit bei den Züchtern teilweise sehr geschadet.

Die heute vorhandenen Scots sind durch gezielte Einkreuzung verschiedener Rassen (sehr schmale Yorkshire des alten Typs, Bossu Belge mit schlechter Haltung, Südholländer mit wenig Frisuren) jedoch wieder erbstabil und die unerwünschten Rassemerkmale sind weitestgehend beseitigt. Insbesondere in Bezug auf die Größe sind die heute zu findenden Rassevertreter teilweise deutlich größer als die geforderten 17 cm. Zu kleine Vögel sollten keinesfalls zur Zucht eingesetzt werden. Auch sollten die Zuchtvögel keinerlei Ansatz von Frisuren zeigen.

Da immer noch relativ wenige intensive Scots zu finden sind, muss bei der Verpaarung von nichtintensiven Vögeln besonderes Augenmerk auf die Gefiedereigenschaften der Zuchtvögel gelegt werden. So sollte bei der Verpaarung zweier nichtintensiver Vögel zumindest ein Partner eine etwas härtere Feder mitbringen, um lockeres Gefieder und hierdurch eventuell entstehende Frisurenansätze entgegenzuwirken.

Text: Thomas Müller, Uwe Feiter –  überarbeitet von Norbert Schramm

Fachgruppe im DKB

Für den Scot Fancy ist im Deutschen Kanarien- und Vogelzüchterbund e.V. die Fachgruppe der Farben- und Positurkanarien oder die Interessengemeinschaft der glatt befiederten Figurenkanarien e.V. zuständig.

Im Bereich der Sachkunde findet man Erstinformationen zur Kanarienhaltung.

Bei weiteren Fragen würden wir uns freuen, wenn Sie uns kontaktieren. Diese listen wir im folgenden Bereich auf.

Quellen und Literaturangaben

[1] https://en.wikipedia.org/wiki/Scotch_(adjective)

Positurkanarienstandard des Deutschen Kanarien- und Vogelzüchterbund e.V. (Stand 2020), Loseblattsammlung

Interessengemeinschaft der glatt befiederten Figurenkanarien e.V.

A. Blakston, W. Swaysland, A. F. Wiener: The Book of Canaries and Cage-Birds, British and Foreign. London, Paris, New York, 1880. Elektronische Ausgabe unter: https://www.biodiversitylibrary.org/item/101262#page/7/mode/1up

H. Claßen, W. Kolter: Die Positurkanarien. Eigenverlag Rheinmünster, 2005.

T. Müller, U. Feiter: Faszination Positurkanarien – eine Leidenschaft für’s Leben. Palm Druck & Verlag, Baesweiler, 2013.

N. Schramm: Kompendium-Kanarien, Band 3, Positurkanarien aus aller Welt. Books on Demand, Norderstedt, 2022.

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